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Wenn wir uns öffnen um kollektiven Schmerz und Traumen, Tabuthemen kollektiv zu bezeugen

Vor kurzem war ich zu einer Lesung meines Buches „Wir gehören zu Euch – Sternenkinder und ihre Familie“ in einem Familienzentrum eingeladen. Es war keine grosse Lesung wie in einer Buchhandlung, sondern eher ein feiner Kreis von Menschen aus allen Generationen, Mann und Frau, die hier zusammen kamen, um mutig einen immer noch sehr einsamen, tabuisierten Raum zu betreten, und um gemeinsam auf das Thema Fehlgeburt, Stille Geburt in unserer Gesellschaft zu schauen.

Wussten Sie, das dieses Thema statistisch jede 3. Frau betrifft?

Wir öffneten also einen kleinen Raum für ein grosses Thema.

Mir war von Anfang an bewusst, dass dies keine übliche Lesung sein wird sondern dass wir hier einen Kreis eröffnen werden, um gemeinsam einen tiefen Schmerz zu bezeugen, der so viele Menschen betrifft und der doch so viele Menschen allein lässt.

Fehlgeburten sind ein Thema, dass mit vielen Tabus besetzt ist, sowohl persönlich als auch kollektiv und gesellschaftlich, der Umgang damit fällt den meisten Menschen in unserer modernen Welt schwer

Wieviel Angst haben wir davor zu trauern?

Der plötzliche Tod eine Kindes ruft bei fast allen Menschen tiefste Urangst wach.

Wie können sie auf den Schmerz einer Mutter, eines Vaters eingehen, deren Leid sie sich nicht einmal vorzustellen wagen, einen Schmerz, den sie selbst vielleicht nicht erlebt haben und auch nie erleben möchten. Oder wenn ihnen dieses Thema gar nicht bewusst ist und ungelöst oder als Tabu in ihrem eigenen Familiensystem schlummert?

So kommt es das aus Unsicherheit und Vermeidungsverhalten manchmal eine fast seltsame Distanz zum Tod und zu Trauer entsteht , und es vielen Menschen schwer fällt gesundes Mitgefühl zuzulassen und schwere Situationen zu begleiten.

Betroffene Frauen / Eltern fühlen sich oft alleine gelassen. Es werden schnell medizinische Schritte eingeleitet, wo vielleicht etwas Zeit bliebe für einen natürlichen Weg, und immer wieder hören sie zwar gut gemeinte aber unsensible Sätze, die ihnen das Recht auf ihre Trauer nehmen. Es gibt keinen Mutterschutz nach einer Fehlgeburt, doch es braucht Zeit für Körper und Seele, es braucht Raum für Rituale, für einen guten Abschied und das Finden einer Sinnhaftigkeit um diesen Verlust zu verarbeiten und zu integrieren in das Leben. Es braucht eine Soziale Komponente.

Hanna Lothrop schreibt in ihrem Buch „Gute Hoffnung – jähes Ende“ dazu: „Der bei weitem wichtigsten Faktor für einen gesunden Trauerprozess ist das Ausmass an Unterstützung durch das soziale Umfeld“.

In meinem Buch gibt es eine Geschichte, die ich sehr liebe, sie stammt aus der Welt der Elefanten, und beschreibt eindrucksvoll was auch wir Menschen brauchen.

„Die Elefanten in Laos leben zum Teil noch in gesunden Gesellschaften und in ihrem natürlichen Lebensraum.Trächtige Elefantenmütter werden von ihren weiblichen Mitgliedern sehr beschützt. Bringt eine trächtige Elefantenkuh ein totes Kind auf die Welt, dann kann man ihre Trauer spüren.Und dann geschieht etwas wunderschönes: die anderen weiblichen Elefanten treten ganz nah an sie heran und bilden einen Kreis um die trauernde Mutter und ihr totes Kind am Boden. Und dann legen sie alle ihren Rüssel auf den Körper der Mutter und beginnen gemeinsam einen ganz bestimmten Ton zu tönen. So stehen sie dann zusammmen, erhaben, ruhig, archaisch.“

Dieses Bild hat alle im Raum berührt und es zeigt uns eine Möglichkeit, wie wir als Gemeinschaft andere Menschen in Krisen unterstützen können.

Es braucht Qualitäten wie Präsenz, Anteilnahme, Mitgefühl, Nähe, Geborgenheit.

Doch wie können wir diese Fähigkeiten in uns wieder entwickeln und uns gegenseitig unterstützen?

Thomas Hübl hat den Begriff „Global Social Witnessing“ entwickelt, der genau das beschreibt was wir dafür brauchen um einander sehen, hören, fühlen, bezeugen zu können, auch in Zeiten die schwer auszuhalten sind.

Es geht darum zusammen einen Raum zu erschaffen in dem wir wieder lernen, alles, auch den Schmerz in der Welt, in uns zu fühlen, nicht nur mental sondern mit unserem Körper, unserem Herzen und in Präsenz damit zu sein, uns darüber auszutauschen, fühlend wahrzunehmen. Wenn uns das gelingt, schaffen wir gemeinsam einen Raum, der in aller Ratlosigkeit, in allem Schmerz sehr stärkend, friedlich sein kann und neue Räume öffnet, ja sogar Schönheit , Stille erwächst.

Diese Erfahrung durften wir auch an diesem Abend im Kreis erleben, es entstand eine Tiefe, ein Berührt Sein im Kreis, eine Verbundenheit bei aller Unterschiedlichkeit.

So wurde dieser Abend viel mehr als eine Lesung, es entstand ein Raum für das Fühlen, Bezeugen, Fragen, einander Zuhören.

Wir sprachen über Trauerphasen, die Trauer von Männern und Frauen, hilfreiche Rituale, unsere Ahnen, kollektive Kriegserfahrungen und Wunden im weiblichen und männlichen System, über Angst, Tabu und deren Folgen. Aber auch über das was helfen kann, wo wir wirksam werden können, mögliche Antworten und Nachdenkliches, über Mut und neue Wege. Über das was sich zeigen kann wenn wir bereit sind hinuzusehen.

Das Vermissen von unseren Kindern ist über Generationen spürbar, wenn es uns nicht gelingt diese Erfahrungen gut zu integrieren.

Doch wenn wir einen guten Weg finden, geschieht Heilsames,entsteht Frieden im System.

DANKE an Alle die dabei waren, und diesen Raum möglich machen. Ich weiss, Jeder trägt etwas davon mit in seine eigene Welt und in die Gesellschaft.

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